fundraising_kreide_cutInternetkonferenzen wie die re:publica können netzpolitische Anliegen für ein paar Tage ins Rampenlicht der Öffentlichkeit befördern. Doch Politik wird 24/7 und an 365 Tagen im Jahr gemacht. Wie könnten netzpolitische Organisationen sich die finanziellen Ressourcen verschaffen, um das ganze Jahr über Flagge zu zeigen? Wir haben den Netzpolitik-Kiez verlassen und uns bei NGOs aus anderen Politikbereichen umgehört.

Je nach Schätzung spenden die Deutschen drei bis sieben Milliarden Euro jährlich. Fast 75 Prozent davon flossen 2013 laut Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung (GfK) an Organisationen, die humanitäre Hilfe leisten, weitere 17 Prozent kamen Tierschutz, Umweltschutz, Kulturarbeit und Denkmalschutz zugute. Die übrigen 8 Prozent des Spendenaufkommens in Deutschland verteilten sich auf Organisationen, die in „anderen Sektoren“ tätig sind, wozu auch die Netzpolitik zu zählen ist. Ein kleiner Krümel des Spendenkuchens geht also an netzpolitische Organisationen, was vielerlei Gründe haben mag, über die schon viel geschrieben wurde. Nachdem wir uns auf politik-digital.de einen Überblick über die Finanzierung der Netzaktivisten verschafft haben, stellen wir uns – sehr selbstkritisch – die Frage, wie man es anders besser machen kann. Eine Betrachtung der Fundraisingaktivitäten von Organisationen aus anderen Bereichen soll uns dabei Inspiration für neue Ansätze geben. Wie ziehen andere Organisationen ihr Fundraising auf und was könnten netzpolitische Organisationen davon für sich übernehmen? Dazu haben wir eine Liste von Fragen an den World Wild Fund for Nature (WWF), Reporter ohne Grenzen (RoG), Mehr Demokratie e.V. und die Partei Bündnis 90 / Die Grünen geschickt, um mehr über ihre Methoden im Fundraising zu erfahren.

Anteil von Klein- und Großspendern

Sowohl die befragten NGOs als auch die Grünen verfügen über eine breite Basis von Kleinspendern, wobei die Spanne von ein paar Tausend bei Mehr Demokratie e.V. bis hin zu 455.000 Spendern bei WWF Deutschland reicht. Welchen Anteil Kleinspender am gesamten Spendeneinkommen ausmachen, ist nicht einheitlich aufzuschlüsseln, weil die Organisationen unterschiedliche Spenderkategorien verwenden. Einen nicht unerheblichen Teil des gesamten Spendenaufkommens machen jedoch bei einigen Organisationen Großspenden (z.B. Mehr Demokratie e.V., WWF, RoG) aus.

Die Grünen haben im vergangen Jahr um die 370.000 Euro für ihren Bundesverband eingesammelt, während Mehr Demokratie und Reporter ohne Grenzen (RoG) sich bei jeweils um die 500.000 Euro bewegen. Deutlicher Spitzenreiter ist der WWF mit 64,2 Millionen Euro Spendeneinnahmen im Jahr 2012/2013. Der WWF setzt dabei u.a. auf Kooperationen mit einer Vielzahl von Großkonzernen wie Edeka, dm und Krombacher, aber auch mit kleineren Unternehmen wie Sprint oder VAUDE Sport. Laut Jahresbericht 2012/2013 erhielten die Tierschützer in diesem Zeitraum zudem institutionelle Zuwendungen in Höhe von etwas über 16,5 Millionen Euro (26 Prozent der Gesamteinahmen). Die Bemühungen vieler netzpolitischer Organisationen, eine möglichst nachhaltige Kartei von Förderern und Spendern aufzubauen, ist also als überaus zweckmäßig zu bewerten, weil nur ein solch solides Fundament die Entwicklung von Strukturen ermöglicht, die es bedarf, um Vereinsziele umzusetzen.

Das Wissen allein, wie viel andere Organisationen an Geldern einsammeln, bringt die netzpolitischen Organisationen aber noch nicht wirklich weiter. Es ist also vor allem interessant zu erfahren, wie die befragten Organisationen ihr Fundraising aufziehen, um Spenden zu erhalten: Eine durchgängige Antwort lautete, dass Spendenaufrufe nach dem Prinzip „Keep it simple and smart“ gestalten werden sollten. Da ist schon mal ein wichtiger Knackpunkt. Der Komplexität vieler netzpolitischer Themen sind sich die meisten Netzaktivisten schon bewusst und tun sich dennoch schwer damit. Um überhaupt einmal die Aufmerksamkeit potenziell Interessierter zu erhalten, bedarf es einer einfachen Botschaft, die das Anliegen innerhalb weniger Sekunden vermittelt. Alle Organisationen versorgen Interessenten, Spender und Förderer jedoch auch mit umfangreichen Informationen in Magazinen oder auf ihren Webseiten darüber, wofür die Spenden verwendet werden.

Jüngere möchten besser über Verwendung der Mittel informiert sein

Transparenz über die Verwendung der Mittel ist ein Aspekt, der immer wichtiger wird, da das Informationsbedürfnis insbesondere bei jüngeren Spendern hoch ist. Altersunabhängig sind die meisten Spenden zu erreichen, wenn Spendenaufrufe an spezielle Kampagnen geknüpft werden. Übertragen auf die Netzpolitik hieße das: Die Konsequenzen politischer Entscheidungen sollten möglichst dringlich für die Zielgruppe sein und anschaulich erklärt werden. Dabei sollten die Spendenaufrufe bestenfalls nicht nur online (der für netzpolitische Organisationen naheliegende Weg) verbreitet werden, sondern auch klassisch per Brief mit persönlicher Ansprache.

Es stimmt zwar, dass die Spenden über das Internet kontinuierlich zunehmen, aber bis dato werden laut Auswertung des Better Place Labs, einer Organisation, die sich für digitale Innovationen mit sozialen Zielen stark macht, nur 1,3 Prozent des Spendenaufkommens in Deutschland über das Internet generiert. Die Aufgliederung des Spendenaufkommens der Reporter ohne Grenzen nach Spendenwegen untermauert den Ansatz des klassischen Spendenbriefs als weiterhin wirkungsvollstes Mittel: 90 Prozent der Spenden erfolgten nach dem Versenden von Briefen und nur zehn Prozent nach Online-Aufrufen. Die Grünen machen es mit ihren Plakatspenden in Wahlkämpfen und für Infokampagnen vor, dass bei den Spendenformaten Kreativität gefordert ist, um den Spendern ein unmittelbares „Erlebnis“ bieten zu können, das über das reine Spenden hinausgeht.

Bis das Spenden sich verstärkt ins Netz verlagert haben wird, sollten netzpolitische Organisationen also wenn möglich ebenso die klassischen Kanäle bedienen. Denn nicht nur netzaffine Menschen zwischen Mitte 20 und Mitte 30 dürften die Ziele netzpolitischer Organisationen förderungswürdig finden. Auch in der älteren Generation dürften potenzielle Unterstützer zu finden sein, weil ihnen Datenschutz noch ein Begriff ist und sie Wert auf ihre Privatsphäre legen. Hinzu kommt, dass sie im Durchschnitt das größere Portemonnaie besitzen, möglicherweise eine geringere fatalistische Haltung („Wir sind doch ´eh machtlos!“) gegenüber politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen einnehmen und aufgrund ihres Alters und ihrer Lebenserfahrung sogar teilweise empfänglicher für bestimmte netzpolitische Themen wie Datenschutz sein könnten.

Die „Silver Surfer“ sind eine wichtige Zielgruppe

Im Fachjargon der Fundraiser werden die gut situierten und älteren Spender als „Silver Surfer“ bezeichnet, auf welche die netzpolitischen Organisationen nicht verzichten sollten. Ihre Spendenquote liegt mit 53 Prozent (>65 Jahre) bzw. 37 Prozent (50-64) deutlicher höher als die der jüngeren Generationen mit 30 Prozent (30-49) und 19 Prozent (14-29). Zudem sind treue Spender deutlich älter als Neuspender. Dafür müssten die netzpolitischen Organisationen es aber auch schaffen, diese Altersgruppen zielgruppengerecht anzusprechen.

Generell spielt das Vertrauen in die Empfängerorganisation eine sehr große Rolle. Um ihre seriöse Arbeit und effiziente Mittelverwendung gegenüber (potenziellen) Spendern zu nachzuweisen, lassen beispielsweise der WWF und RoG ihren Umgang mit Spenden und Mitgliedsbeiträgen extern überprüfen und erhalten nach erfolgreicher Prüfung ein anerkanntes Spendensiegel (z.B. DZI-Siegel). WWF und RoG haben sich darüber hinaus der Initiative „Transparente Zivilgesellschaft“ von Transparency International angeschlossen. Gewiss, diese Spendensiegel kosten Geld. Geld, das kleine netzpolitische Organisationen nicht unbedingt haben, doch richtet sich die zu entrichtende Gebühr auch nach dem jährlichen Budget der Organisation, die das Siegel beantragt.

Wo sich Fundraisingexpertise finden lässt

Eine Entwicklung von der „Hobbylobby“ zur „Profilobby“ wurde auf der re:publica14 und danach nachdrücklich gefordert. Ein Schritt in diese Richtung könnte für netzpolitische Organisationen darin bestehen, sich bestehende Strukturen wie den Fundraising-Verband zunutze zu machen. Dort tauschen sich seit Jahren professionelle Fundraiser über die besten Strategien aus. Was für die eine Organisation perfekt funktioniert, muss aber für eine andere nicht gleichermaßen zum Selbstläufer werden. Doch steht es außer Frage, dass die netzpolitischen Organisationen von der an den Fundraising-Stammtischen anzutreffenden Expertise viel lernen könnten.

Letztendlich dürfte es das Ziel einer jeden – auch netzpolitischen – Organisation sein, die eigenen Themen in die Öffentlichkeit zu bringen, politischen Druck aufzubauen und Mehrheiten zu organisieren. Diesem übergeordneten Ziel hat sich das Fundraising unterzuordnen. Wer Unternehmenskooperationen eingeht, sollte dies gezielt tun, um die eigene Glaubwürdigkeit nicht zu untergraben. Wer öffentliche Gelder bezieht, sollte auf Ausgewogenheit achten und sich nicht einer einzigen Institution verschreiben und damit die eigene Unabhängigkeit einbüßen. Mit ihrer in den vergangenen Jahren erarbeiteten Glaubwürdigkeit brauchen sich die meisten netzpolitischen Organisationen nicht scheuen, offen nach Geld zu fragen, sofern sie klar kommunizieren, wozu sie das Geld brauchen und wieso ihre Anliegen gesellschaftlich relevant sind. Aber sind sie das? Auch diese Frage müssen sie sich – angesichts von Bürgerkriegen und drohenden Hungersnöten in den Krisenzonen dieser Welt – selbstkritisch stellen. Dies dürfte also die schwierigste Aufgabe sein. Nachdem die Netzaktivisten ihre Kompetenz hier (ACTA) und dort (EU-Netzneutralität) bewiesen haben, ist es an der Zeit, dass sie ihren realpolitischen Einfluss ausbauen. Professionelles Fundraising ist dafür unumgänglich.

Danksagung: Bedanken möchte ich bei den Mitarbeitern von Bündnis 90 / Die Grünen, WWF, RoG und Mehr Demokratie e.V., die einen Teil ihrer knappen Zeit zum Beantworten meiner Fragen aufgewendet haben.

Foto: HowardLake/flickr; bearbeitet und zugeschnitten (CC BY-SA 2.0)

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