Je Suis CharlieKurz nach dem grausamen Angriff auf die Satire-Zeitung Charlie Hebdo mit zwölf Toten wuchs in Frankreich die Solidarität mit den Opfern —  erst im Internet, dann auf der Straße. Überall auf der Welt zeigen Menschen ihre Anteilnahme im Zeichen des Hashtags #JeSuisCharlie. politik-digital.de hat mit der Pariserin Elise Colla über die Situation in Frankreich und die #JeSuisCharlie-Bewegung im Internet gesprochen.

politik-digital.de: Was passierte nach der Schießerei in der Redaktion des Satire-Magazins Charlie Hebdo in Frankreich? Wie entstand der Hashtag #JeSuisCharlie?

Elise Colla: Nach dem Schock begann eine Welle der Solidarität hier in Frankreich. Die sozialen Medien wurden überflutet von Artikeln und Posts über die Morde. Die Menschen versuchten Worte für diese Gräueltat zu finden. Mit dem Hashtag #JeSuisCharlie wollten sie einerseits ihre Anteilnahme bekunden und andererseits zeigen, dass Frankreich sich nicht von Terroristen einschüchtern lässt.

politik-digital.de: Wie verlagerten sich der Online-Protest – und das Mitgefühl auf die Straße?

Elise Colla: Die Franzosen sind ein stolzes, traditionsorientiertes Volk. Demokratische Werte wie die Pressefreiheit sind uns sehr wichtig und deshalb gehen wir dafür auch auf die Straße. Heutzutage sind wir alle digital miteinander vernetzt. Man könnte daher sagen, dass der Hashtag #JeSuisCharlie das Ziel hatte, die Massen zu mobilisieren, online wie offline.

 politik-digital.de: Wie gehen Deine Familie und Freunde mit der Nachricht um?

Elise Colla: Fast jeder, mich eingeschlossen, hat seinen Facebook-Status zu „Je suis Charlie“ geändert, viele haben ihr Profilbild durch Karikaturen von Charlie Hebdo ersetzt. Alle wollen damit ihre Betroffenheit zeigen. Heute Morgen habe ich mehrere Nachrichten und Mails von Freunden erhalten, Petitionen gegen Angst und für die Meinungsfreiheit zu unterschreiben. Auch bei der Arbeit reden wir eigentlich über nichts anderes.

Elise Colla (26) studierte Politik, Geschichte und Urban Management in Paris und arbeitet heute in der Verwaltung des öffentlichen Nahverkehrs von Paris. Nach eigenen Aussagen haben ihr Studium und ihre jetzige Arbeit sie viele Dinge gelehrt, vor allem über die “Banlieues” (Vororte) und die Vorurteile, die jeder gegenüber “dem anderen” besitzt.

politik-digital.de: Du arbeitest mit einigen Muslimen zusammen. Wie sehen sie den Angriff auf die Redaktion von Charlie Hebdo?

Elise Colla: Amani, eine französische Muslimin mit tunesischen Wurzeln, lebt im Vorort Goussainville, der oftmals als Problemviertel bezeichnet wird. Sie sagte mir, dass die Geschehnisse eine Abscheulichkeit seien. Auch wenn der Koran eine Zeichnung des Propheten verbiete, dürfe niemand dafür umgebracht werden. Allerdings erzählte Amani mir auch, dass sie sich jetzt als muslimische Französin unwohl in ihrem eigenen Land fühle .

politik-digital.de: Wie reagieren Amanis Freunde on- und offline auf die Geschichte?

Elise Colla: Den meisten gehe es ähnlich, erklärte sie mir. Sie würden sich als Franzosen identifizieren und daher den Schmerz des Landes spüren. Aber Amani erzählte mir auch von Bekannten, die in der Tat ein Komplott gegen die muslimische Bevölkerung sehen. Diese hätten Bilder und Videos in den sozialen Netzwerken gepostet, auf denen man angeblich sehen würde, dass die Aufnahmen manipuliert seien.

politik-digital: Was bedeutet das für die Muslime in Frankreich?

Elise Colla: Viele, ich eingeschlossen, haben Angst, dass Medien und die Politik dieses schreckliche Ereignis dazu nutzen, die französische Gesellschaft weiter zu spalten. Wir fürchten, dass dieser barbarische Akt von Terroristen die muslimische Gemeinschaft als Südenbock darstellt. Frankreich wird  immer islamfeindlicher. Einige Aussagen über Muslime, die noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen wären, werden nun von vielen Menschen oft an. Mit diesem Vorfall lassen sich wahrscheinlich noch mehr Menschen hinreißen, rassistische Gedanken zu skandieren.

Bild: Valentina Calà

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