So oft die Europäische Union auch abgekanzelt wird – in den letzten beiden Wochen fanden einige Entscheidungen auf verschiedenen Ebenen der EU statt, die aus netzpolitischer Sicht erfreulich sind: Das Europäische Parlament entschied für die Netzneutralität, der EuGH kippte die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Vielleicht bestätigt das doch die Wichtigkeit der anstehenden Wahl des Europäischen Parlaments im Mai. Dass diese Entscheidungen aber nicht ausreichen, wir selber mit unseren eigenen Widersprüchlichkeiten und denen des Internets umgehen müssen, lesen Sie in unserer Presseschau.

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Der Programmierer, Hacker und Netzaktivist Jacob Applebaum kritisiert für die Kampagne WEPROMISE die totale Überwachung und fordert dazu auf, das formelle wie informelle Recht auf Widerstand und eine gerechtere Gesellschaft zu nutzen.

Die Vorratsdatenspeicherung ist tot – lang lebe die Vorratsdatenspeicherung?

Am Dienstag kippte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Die Diskussion, ob die anlasslose Speicherung von Daten nun endgültig vom Tisch ist, beschäftigte seither die Online- wie Print-Redaktionen. Sogar die Tagesthemen sendeten einen 6-minütigen Beitrag zur VDS. In einem Kommentar spricht Heribert Prantl von einer Zäsur in der Rechtssprechungspraxis des EuGH und einer „Zeitenwende im europäischen Grundrechtsschutz“. Aus der Sicht von Prantl und vielen anderen ist das Urteil ein Grund zur Freude. Deutlich kritischer sieht das die Politikwissenschaftlerin Lorena Jaume-Palasi. Auf irights.info setzt sie sich dezidiert mit dem Urteil des EuGH auseinander und kommt zu dem Schluss: „Das Urteil ist kein Sieg gegen die Vorratsdatenspeicherung.“

Anonymität im Internet ist unter derzeitigen Bedingungen fast unmöglich

Warum Anonymität im Internet unter den heutigen Bedingungen kaum mehr möglich ist, erklärt Stefan Schulz im FAZ-Blog. Das Internet habe keine dunklen Ecken, auch ohne die Speicherung von Verbindungsdaten und IP-Adressen. Unter Berufung auf neue Forschungen an der Universität Princeton ließe sich nachweisen, dass allein durch „3rd Party Cookies“ Identifizierungen und Überwachung vorgenommen werden können.

Widersprüchlichkeiten

Eine weitere Antwort auf den Artikel zum „determinierten Menschen“ von Martin Schulz liefert heute Katrin Göring-Eckhardt von den Grünen. Sie argumentiert, dass das reale menschliche Leben komplexer sei als seine virtuelle Verdopplung. Das Internet dürfe nicht bloß pessimistisch, in Begriffen der Kontrolle und Überwachung, betrachtet werden, es habe darüber hinaus eine freiheitlich-politische und subversive Dimension. Die politischen Umwälzungen in vielen Teilen der Welt seien ohne das Netz nicht mehr denkbar: „Gemacht werden muss die Revolution natürlich weiterhin auf der Straße, aber auf Twitter steht immerhin, auf welcher. In der revolutionären Situation gehört das Netz der Bürgergesellschaft.“

Die Zukunft der Internet Governance

Bereits Ende 2013 setzten sich im sogenannten Montevideo Statement zentrale Organisationen, die sich mit der Verteilung der Internet-Ressourcen befassen, für eine Internationalisierung der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) ein. Am 14. März diesen Jahres gaben die USA bekannt, dass sie die Aufsicht über die ICANN aufgeben werden. Wer regiert also in Zukunft das Internet?, fragt Florian Zimmer-Amrhein.

Wahlen, Politik und Soziale Netzwerke

Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter sind hierzulande nicht selten als „Datenkrake“, Plattform für Empörungswellen oder Spaß-Medium verschrien. Wie sieht das eigentlich in anderen Ländern aus? Masood Saifullah beschreibt, wie in Afghanistan eine Netzkampagne auf Facebook signifikanten Einfuss auf die Wahlbeteiligung genommen habe. Auch aus Indien wird berichtet, dass Social Media wahlrelevant sei. Der Social-Media-Forscher des Think Tanks Demos, Carl Miller, ist sogar der Auffassung, dass Social Media die Krise der modernen Politik in Europa lösen könne: „Social media is taking a more and more political turn.“
Bild: Screenshot Video
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